Loneliness
Einsamkeit
Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Einsamkeit
Die Einsamkeit ist wie ein Regen.
Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen;
von Ebenen, die fern sind und entlegen,
geht sie zum Himmel, der sie immer hat.
Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt.
Regnet hernieder in den Zwitterstunden,
wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen
und wenn die Leiber, welche nichts gefunden,
enttäuscht und traurig von einander lassen;
und wenn die Menschen, die einander hassen,
in einem Bett zusammen schlafen müssen:
dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen....
Loneliness
Loneliness is like a rain,
ascends from sea to softest even,
from some remote, far distant plain
rising to its abode in heaven;
and falls from heaven on the town,
in the betwixt hours raining down,
when into dawn veers every lane,
and bodies, that have sought in vain,
in grief and disappointment separate;
and when a couple, joined in mutual hate,
must sleep in one shared bed together:
then loneliness flows with the running river…
Translation: Copyright © Timothy Adès
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First Roses Woke
Erste Rosen erwachen
Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Erste Rosen erwachen
Erste Rosen erwachen,
und ihr Duften ist zag
wie ein leisleises Lachen;
flüchtig mit schwalbenflachen
Flügeln streift es den Tag;
und wohin du langst,
da ist alles noch Angst.
Jeder Schimmer ist scheu,
und kein Klang ist noch zahm,
und die Nacht ist zu neu,
und die Schönheit ist Scham.
First Roses Woke
First roses woke,
faintly they waft,
laughter so soft,
swift-winged, to stroke,
gentling, the day.
Where you would tread,
still there is dread.
Glimmers take fright,
sounds are untamed,
new is the night,
beauty’s ashamed.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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First of all our silences
Und so ist unser erstes Schweigen
Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Und so ist unser erstes Schweigen
Und so ist unser erstes Schweigen ...
wir schenken uns dem Wind zu eigen,
und zitternd werden wir zu Zweigen
und horchen in den Mai hinein.
Da ist ein Schatten auf den Wegen,
wir lauschen, - und es rauscht ein Regen:
ihm wächst die ganze Welt entgegen,
um seiner Gnade nah zu sein.
First of all our silences
First of all our silences…
we surrender to the breeze,
quiver, now we’re tips of trees,
hark attentively to May.
Shadows fall across the lane,
we give ear… we hear the rain:
all the world with might and main
seeks the mercies, finds its way.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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Listen, And Wonder
Vor lauter Lauschen
Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Vor lauter Lauschen
Vor lauter Lauschen und Staunen sei still,
du mein tieftiefes Leben;
daß du weißt, was der Wind dir will,
eh noch die Birken beben.
Und wenn dir einmal das Schweigen sprach,
laß deine Sinne besiegen.
Jedem Hauche gib dich, gib nach,
er wird dich lieben und wiegen.
Und dann meine Seele sei weit, sei weit,
daß dir das Leben gelinge,
breite dich wie ein Feierkleid
über die sinnenden Dinge.
Listen, And Wonder
Listen, and wonder, and only stay
silent, my life deep down:
before the wind makes the birches sway,
what it bodes for you shall be known.
When once the silence has spoken to you,
let your own senses prevail.
Give to each breath, make a gift of you,
each breath shall love you and lull.
And then O my soul, be broad, be broad,
till your life fulfilment brings:
like a festive garment, be glad to spread
over all sentient things.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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Wind and Fiddle
Wind und Geige
Christian Morgenstern (1871-1914)
Wind und Geige
Drinnen im Saal eine Geige sang,
sie sang von Liebe so wild, so lind.
Draussen der Wind durch die Zweige sang:
Was willst du, Menschenkind?
Drinnen im Saale die Geige sang:
Ich will das Glück, ich will das Glück!
Draussen der Wind durch die Zweige sang:
Es ist das alte Stück.
Drinnen im Saale die Geige sang:
Und ist es alt, für mich ist's neu.
Draussen der Wind durch die Zweige sang:
Schon mancher starb an Reu.
Der letzte Geigenton verklang;
die Fenster wurden bleich und blind;
aber noch lange sang und sang
im dunklen Wald der Wind ...
Was willst du, Menschenkind?
Wind and Fiddle
Inside the hall a fiddle sang,
It sang of love, so sweet and wild.
Outside, the wind in the branches sang:
What do you wish for, human child?
Inside the hall a fiddle sang:
Fortune’s my wish, and happiness.
Outside, the wind in the branches sang:
Old cant! I’ve heard it to excess.
Inside the hall a fiddle sang:
Old it may be, for me ’tis new.
Outside, the wind in the branches sang:
Many have died of bitter rue.
At last the fiddle-song was done,
The panes no longer gleamed and smiled;
And still the wind sang on, sang on,
Out in the forest dark and wild.
What do you wish for, human child?
Translation: Copyright © Timothy Adès
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The Wind’s a Whistler
Es pfeift der Wind . . .
Christian Morgenstern (1871-1914)
Es pfeift der Wind . . .
Es pfeift der Wind. Was pfeift er wohl?
Eine tolle, närrische Weise.
Er pfeift auf einem Schlüssel hohl,
bald gellend und bald leise.
Die Nacht weint ihm den Takt dazu
mit schweren Regentropfen,
die an der Fenster schwarze Ruh
ohn End eintönig klopfen.
Es pfeift der Wind. Es stöhnt und gellt.
Die Hunde heulen im Hofe.
Er pfeift auf diese ganze Welt,
der große Philosophe.
The Wind’s a Whistler
The wind’s a whistler. His will be
a melody mad and mental,
all in a single dismal key,
now bellowing, now gentle.
Night weeps the pulse that he maintains,
sends heavy raindrops pounding
on the black peaceful window-panes,
relentlessly resounding.
A roaring, groaning sibilant,
In all the world he’ll whistle.
Let yard-dogs rant: he’s Newton, Kant,
Socrates, Bertrand Russell.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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The Aesthetic Weasel
Das ästhetische Wiesel
Christian Morgenstern (1871-1914)
Das ästhetische Wiesel
Ein Wiesel
saß auf einem Kiesel
inmitten Bachgeriesel.
Wißt ihr
weshalb?
Das Mondkalb
verriet es mir
im Stillen:
Das raffinier-
te Tier
tat’s um des Reimes willen.
The Aesthetic Weasel
A weasel
sat on an easel
no, a pebble
in the Ribble.
Are you aware, for
why, and wherefore?
The mooncalf
blew the gaff
in a quiet time:
The tiny mammal,
a refined animal,
loved the laugh
and the rhyme.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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The Knee
Das Knie
Christian Morgenstern (1871-1914)
Das Knie
Ein Knie geht einsam durch die Welt.
Es ist ein Knie, sonst nichts!
Es ist kein Baum! Es ist kein Zelt!
Es ist ein Knie, sonst nichts.
Im Kriege ward einmal ein Mann
erschossen um und um.
Das Knie allein blieb unverletzt-
als wärs ein Heiligtum.
Seitdem gehts einsam durch die Welt.
Es ist ein Knie, sonst nichts.
Es ist kein Baum, es ist kein Zelt.
Es ist ein Knie, sonst nichts.
The Knee
A knee is on a solo spree.
It’s just a knee, that’s all!
It’s not a tree, nor a tepee,
It’s just a knee, that’s all.
A soldier in sharp shots was swathed,
Shocked, shellacked, shattered, shanked.
The knee alone remained unscathed,
Seemingly sacrosanct.
It still is on a solo spree.
It’s just a knee, that’s all.
It’s not a tree, nor a tepee,
It’s just a knee, that’s all.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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