Early Spring  
  
	
    
  
  Vorfrühling  
  
  	
    
  
  Rainer Maria Rilke (1875-1926)  
  
  
  
	
		
  Vorfrühling
Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonung
an der Wiesen aufgedecktes Grau.
Kleine Wasser ändern die Betonung.
Zärtlichkeiten, ungenau,
greifen nach der Erde aus dem Raum.
Wege gehen weit ins Land und zeigens.
Unvermutet siehst du seines Steigens
Ausdruck in dem leeren Baum.
Early Spring
Stiffness, gone. And now a softness
settles on the fields’ grey cover.
Little streams try out new noises.
Indeterminate caresses 
reach for Earth from somewhere over. 
Lanes run clear across the land.      
Spring is suddenly at hand:
on the bare tree, see its traces.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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   See, they shall Live and Multiply  
  
	
    
  
  Denn, sieh: sie werden leben und sich mehren  
  
  	
    
  
  Rainer Maria Rilke (1875-1926)  
  
  
  
	
		
  Denn, sieh: sie werden leben und sich mehren
Denn sieh: sie werden leben und sich mehren
und nicht bezwungen werden von der Zeit,
und werden wachsen wie des Waldes Beeren
den Boden bergend unter Süßigkeit.
Denn selig sind, die niemals sich entfernten
und still im Regen standen ohne Dach;
zu ihnen werden kommen alle Ernten,
und ihre Frucht wird voll sein tausendfach.
Sie werden dauern über jedes Ende
und über Reiche, deren Sinn verrinnt,
und werden sich wie ausgeruhte Hände
erheben, wenn die Hände aller Stände
und aller Völker müde sind.  
 See, they shall Live and Multiply
See, they shall live and multiply,
nor shall they be by time constrained;
like forest berries, bounteously,
and in their sweetness cloak the ground.
For blest are they who would not roam,
who in the rain stood roofless, mute:
to them shall all the vintage come,
to them a thousandfold, the fruit.
They shall endure beyond all ends,
all wealth whose meaning drains away,
to rise up like well-rested hands
when ranks’ and peoples’ hands decay.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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  A White Castle  
  
	
    
  
  Ein weißes Schloß  
  
  	
    
  
  Rainer Maria Rilke (1875-1926)  
  
  
  
	
		
  Ein weißes Schloß
Ein weißes Schloß in weißer Einsamkeit.
In blanken Sälen schleichen leise Schauer.
Todkrank krallt das Gerank sich an die Mauer,
und alle Wege weltwärts sind verschneit.
Darüber hängt der Himmel brach und breit.
Es blinkt das Schloß. Und längs den weißen Wänden
hilft sich die Sehnsucht fort mit irren Händen ...
Die Uhren stehn im Schloß: es starb die Zeit.        
A White Castle
A castle, white, in a white solitude.
Light rains go seeping through its empty halls,
Sick creepers close to death claw at the walls,
And all the paths towards the world are snowed.
The sky hangs over it, inert and wide,
The castle glitters. With uncertain hands
Feeling along white walls, fond hopes advance…
The castle’s clocks have halted. Time has died.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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  Loneliness  
  
	
    
  
  Einsamkeit  
  
  	
    
  
  Rainer Maria Rilke (1875-1926)  
  
  
  
	
		
  Einsamkeit
Die Einsamkeit ist wie ein Regen.
Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen;
von Ebenen, die fern sind und entlegen,
geht sie zum Himmel, der sie immer hat.
Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt.
Regnet hernieder in den Zwitterstunden,
wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen
und wenn die Leiber, welche nichts gefunden,
enttäuscht und traurig von einander lassen;
und wenn die Menschen, die einander hassen,
in einem Bett zusammen schlafen müssen:
dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen....  
Loneliness
Loneliness is like a rain, 
ascends from sea to softest even,
from some remote, far distant plain
rising to its abode in heaven;
and falls from heaven on the town,
in the betwixt hours raining down, 
when into dawn veers every lane,
and bodies, that have sought in vain,
in grief and disappointment separate;
and when a couple, joined in mutual hate,
must sleep in one shared bed together:
then loneliness flows with the running river…
Translation: Copyright © Timothy Adès
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  First Roses Woke  
  
	
    
  
  Erste Rosen erwachen  
  
  	
    
  
  Rainer Maria Rilke (1875-1926)  
  
  
  
	
		
  Erste Rosen erwachen
Erste Rosen erwachen,
und ihr Duften ist zag
wie ein leisleises Lachen;
flüchtig mit schwalbenflachen
Flügeln streift es den Tag;
und wohin du langst,
da ist alles noch Angst.
Jeder Schimmer ist scheu,
und kein Klang ist noch zahm,
und die Nacht ist zu neu,
und die Schönheit ist Scham.    
First Roses Woke
First roses woke,
faintly they waft,
laughter so soft,
swift-winged, to stroke,
gentling, the day.
Where you would tread,
still there is dread.
Glimmers take fright,
sounds are untamed,
new is the night,
beauty’s ashamed.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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  First of all our silences  
  
	
    
  
  Und so ist unser erstes Schweigen  
  
  	
    
  
  Rainer Maria Rilke (1875-1926)  
  
  
  
	
		
  Und so ist unser erstes Schweigen
Und so ist unser erstes Schweigen ...
wir schenken uns dem Wind zu eigen,
und zitternd werden wir zu Zweigen
und horchen in den Mai hinein.
Da ist ein Schatten auf den Wegen,
wir lauschen, - und es rauscht ein Regen:
ihm wächst die ganze Welt entgegen,
um seiner Gnade nah zu sein.      
First of all our silences
First of all our silences…
we surrender to the breeze,
quiver, now we’re tips of trees,
hark attentively to May.
Shadows fall across the lane,
we give ear… we hear the rain:
all the world with might and main
seeks the mercies, finds its way.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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  Listen, And Wonder  
  
	
    
  
  Vor lauter Lauschen  
  
  	
    
  
  Rainer Maria Rilke (1875-1926)  
  
  
  
	
		
  Vor lauter Lauschen
Vor lauter Lauschen und Staunen sei still,
du mein tieftiefes Leben;
daß du weißt, was der Wind dir will,
eh noch die Birken beben.
Und wenn dir einmal das Schweigen sprach,
laß deine Sinne besiegen.
Jedem Hauche gib dich, gib nach,
er wird dich lieben und wiegen.
Und dann meine Seele sei weit, sei weit,
daß dir das Leben gelinge,
breite dich wie ein Feierkleid
über die sinnenden Dinge.   
Listen, And Wonder
Listen, and wonder, and only stay   
silent, my life deep down:
before the wind makes the birches sway,
what it bodes for you shall be known.
When once the silence has spoken to you,
let your own senses prevail.                            
Give to each breath, make a gift of you,
each breath shall love you and lull.
And then O my soul, be broad, be broad,
till your life fulfilment brings:       
like a festive garment, be glad to spread 
over all sentient things.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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  White Chrysanthemums  
  
	
    
  
  Weiße Chrysanthemen  
  
  	
    
  
  Rainer Maria Rilke (1875-1926)  
  
  
  
	
		
  Weiße Chrysanthemen
Das war der Tag der weißen Chrysanthemen,
mir bangte fast vor seiner schweren Pracht.
Und dann, dann kamst du mir die Seele nehmen, 
tief in der Nacht.
Mir war so bang, und du kamst lieb und leise, -
ich hatte grad im Traum an dich gedacht.
Du kamst, und leis wie eine Märchenweise 
erklang die Nacht.                       
White Chrysanthemums
All those chrysanthemums that day were white:
their heavy splendour brought me close to grief.
And then you came and took my soul, a thief
at dead of night.
So close… Softly you came then, my delight:
My thoughts had dwelt upon you, as I dreamed.
Softly you came, and fairy music seemed
to fill the night.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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  In dubiis  
  
	
    
  
  In dubiis  
  
  	
    
  
  Rainer Maria Rilke (1875-1926)  
  
  
  
	
		
  In dubiis
Es dringt kein Laut bis her zu mir
von der Nationen wildem Streite,
ich stehe ja auf keiner Seite;
denn Recht ist weder dort noch hier.
Und weil ich nie Horaz vergaß
bleib gut ich aller Welt und halte
mich unverbrüchlich an die alte
aurea mediocritas.
Der erscheint mir als der Größte,
der zu keiner Fahne schwört,
und, weil er vom Teil sich löste,
nun der ganzen Welt gehört.
Ist sein Heim die Welt; es misst ihm
doch nicht klein der Heimat Hort;
denn das Vaterland, es ist ihm
dann sein Haus im Heimatsort.
In dubiis
No sound till now assails my ear
Of nations’ gruesome homicide.
I do not stand on either side;
Justice is neither there nor here.
Mindful of Q. Horatius,
I’m friends with all the world, and hold
Irrevocably to the old
Aurea Mediocritas.
He stands out as most great-hearted,
Loyal to no flag unfurled,
Who, from one small fragment parted,
Now belongs to all the world.
If his home’s the world, his homeland
Measures to no little space:
For his fatherland’s his cottage,
In his own familiar place.

Translation: Copyright © Timothy Adès
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  He and She  
  
	
    
  
  Die Beiden  
  
  	
    
  
  Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)  
  
  
  
	
		
  Die Beiden
Sie trug den Becher in der Hand
- Ihr Kinn and Mund gleich seinem Rand -
So leicht and sicher war ihr Gang,
Kein Tropfen aus dem Becher sprang.
So leicht and fest war seine Hand: 
Er ritt auf einem jungen Pferde, 
Und mit nachlässiger Gebärde 
Erzwang er, dass es zitternd stand.
Jedoch, wenn er aus ihrer Hand 
Den leichten Becher nehmen sollte, 
So war es beiden allzu schwer: 
Denn beide bebten sie so sehr, 
Dass keine Hand die andre fand 
Und dunkler Wein am Boden rollte.
He and She
Curved her lip, and curved the cup
carried safely in her hand;
sure and easy was her tread, 
not a single drop was shed.
Sure and steady was his hand, 
and his horse high-spirited; 
he with mastery pulled up, 
made the startled creature stand.
Did the strong hand grasp the cup 
that the fair one offered up?
It was not done easily.
How they trembled, he and she! 
Hand by hand was never found,
and the dark wine stained the ground.
Translation: Copyright © Timothy Adès
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